POLITISCHES PARKETT

PLÖTZLICH WAR ALLES ANDERS. DIE DESTRUKTIVE STAATSFERNE AGENDA DER NEUEN OPPOSITION WAR VON EINEM TAG AUF DEN ANDEREN NICHT MEHR GEFRAGT, NIEMAND INTERESSIERTE SICH MEHR DAFÜR. IN EINEM MOMENT, IN DEM ES UMS ÜBERLEBEN GEHT, HÖREN DIE MENSCHEN WIEDER GERNE AUF STARKE MACHER, DIE VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN UND ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN – SELBST, WENN DIESE UNPOPULÄR SIND. DAS POLITISCHE PARKETT HAT ES DURCHEINANDER GEWIRBELT...

Lange Zeit war Angela Merkel in der Coronakrise unsichtbar. Und ihr Bundesgesundheitsminister Jens Spahn machte gerade in den ersten Wochen nicht immer eine gute Figur. Als sich die Bundeskanzlerin erstmals in ihrer mehr als 14-jährigen Amtszeit seit 2005 in einer aktuellen, emotionalen Videoansprache direkt an die Deutschen wandte, werteten Kommunikationsexperten dies als mustergültiges Glanzstück aus dem Lehrbuch des Krisenmanagements. Die Leitfigur betritt das Parkett, sobald die Situation geklärt ist – oder wenn der Ernst der Lage es erfordert. Letzteres war für die Regierung offenbar am 18. März 2020 der Fall. Nie zuvor hatte sich Angela Merkel aus einem aktuellem Anlass unmittelbar an die Bürger gewandt. Auf ihren Auftritt am 18.03. um 18:30 Uhr bereitete sich die Kanzlerin deshalb intensiv vor, gemeinsam mit Büroleiterin Beate Baumann und Regierungssprecher Steffen Seibert. Zunächst enthielt die Rede längere Passagen zu den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die Merkel jedoch strich. Sie wollte nicht über Geld sprechen. Merkel wollte, für ihre Verhältnisse ungewöhnlich emotional, an die Menschen appellieren, unnötige Begegnungen mit anderen zu vermeiden, denn im Augenblick sei Abstand ein Ausdruck von Fürsorge. Da es weder Medikament noch Impfstoff gebe, müsse nun die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden, damit sie über Monate gestreckt werde und man so Zeit gewinne. Die Covid-19-Pandemie nannte sie die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Bis zu 30 Millionen Bundesbürger sahen diese 13 Minuten lange historische Rede auf einem der deutschen Fernsehkanäle. Merkel machte Corona zur Chefsache.

Ein anderer Unions-Politiker als eigentlich erklärter Nicht-Kandidat arbeitete sich Tag für Tag weiter in die Gunst der Wähler: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU. Ihm eröffnete die Verschiebung des CDU-Parteitages von April auf unbestimmte Zeit völlig neue Möglichkeiten. Sonst wäre ein neuer CDU-Chef längst im Amt und hätte sich bereits im Rennen um die anstehende Kanzlerkandidatur in Stellung gebracht. Mit Söder als potenziellem Kanzlerkandidaten, brach der Automatismus „Parteichef ist gleich Kanzler“ weg. Nach Strauß und Stoiber könnte 2021 mit Söder wieder ein CSU-Mann antreten, vielleicht sogar als erster Bayer mit Erfolg auf diesem Weg. Galt der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz Anfang 2020 noch als einer der Favoriten, verlor er im zweiten Quartal 2020 deutlich an Zustimmung auch aus Wirtschaftskreisen. Civey, ein Berliner Institut für Online-Meinungsumfragen, befragte 1.500 selbständige Unternehmer, leitende Angestellte und Beamte im höheren Dienst für die „Wirtschaftswoche“. Demnach waren Mitte Mai nur noch 17 Prozent der Entscheider in Deutschland der Meinung, dass Friedrich Merz die Union bei der Bundestagswahl 2021 als Kanzlerkandidat anführen solle. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erreichte nur noch 9 Prozent und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Norbert Röttgen verschwanden mit 4 und 3 Prozent in der Bedeutungslosigkeit. Mit Abstand meistgenannter Kandidat für die Kanzlerschaft war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. 45 Prozent der befragten Entscheider hielten ihn für den aussichtsreichsten Kandidaten. Das machte deutlich, wie sich beherzte Krisenmanager mit scheinbar unpopulären Maßnahmen den Respekt der Wähler verschaffen konnten. Markus Söder hatte in Bayern als erster Ausgangsbeschränkungen eingeführt und lockerte sie als letzter, in dem er sie am 5. Mai in bayernweite Kontaktbeschränkungen umwandelte. Zuvor hatte er eine allgemeine Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Personennahverkehr verhängt.

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